Deutsche Initiative für Netzwerkinformation    

Berlin, 15.8.2000

                                 

Bericht zum Workshop "Informationsdienste und elektronisches Publizieren in den Hochschulen"

1. Ziele eines DINI-Workshops

     Gemäß der grundsätzlichen Zielstellung von DINI, das gemeinsame Wirken von Hochschulbibliotheken, Rechen- und Medienzentren als Dienstleistungsanbieter für die Studierenden und Wissenschaftler der Hochschule zu unterstützen, fördert DINI Initiativen zur Entwicklung und Einführung neuer Service in die Hochschulen, in dem existierende Ansätze publiziert und die handelnden Personen zu Diskussionen zusammengeführt werden. In erster Linie sieht sich DINI als Vermittler und Initiator und hat aus diesem Grunde Expertenworkshops organisiert, um aus den Erfahrungen und Diskussionen der Experten Empfehlungen für die DINI-Gemeinschaft zu initiieren. Gleichzeitig ist es zwangsläufig das Ziel, in solchen Expertengesprächen Defizite bei den vorhandenen Dienstleistungen in den Deutschen Hochschulen zu erkennen, aufzuzeigen und bekannt zu machen.

2.  Workshop "Informationsdienste und elektronisches Publizieren an Hochschulen"

     Den Beteiligten war von Beginn an klar, dass das gewählte Thema nicht in einem Workshop zu behandeln sein kann, sondern dass mehrere Veranstaltungen zu organisieren sind. Somit stand der erste Workshop vorrangig unter dem Gesichtspunkt des Versuches einer Bestandsaufnahme.
Folgende Themen sollten behandelt werden:

-  Einschätzung des Standes des wissenschaftlichen elektronischen Publizierens aus der Sicht des Wissenschaftlers, des Studierenden und der Dienstleistungseinrichtungen

-   Stand des Umgangs mit Metadaten für Hochschulschriften

-  Anforderungen an elektronische Langzeitarchive

-  Workflow in Bibliotheken

-   Stand der Retrievalmöglichkeiten in elektronischen Hochschularchiven

Aufgrund der Fülle der Aufgaben und einiger Terminprobleme bei der Organisation des Workshops konnte nur ein Bruchteil der ursprünglichen Aufgabenstellung andiskutiert werden.

3.  Der Umgang mit elektronischen Hochschulschriften

     In Deutschland existieren zwei prinzipiell unterschiedliche Ansätze, sich mit der elektronischen Publikation von Dissertationen und anderen Hochschulschriften zu beschäftigen. Das Projekt "Dissertationen online", vertreten vor allem durch die an der Humboldt-Universität entwickelten Verfahren auf der einen Seite, und eine Reihe von pragmatischen lokalen oder regionalen Ansätzen, für die das Projekt "OPUS" (Online Publikationsverbund der Universität Stuttgart) ein beispielhafter Vertreter ist. Vor allem die Ansätze zur Archivierung elektronischer Publikationen und teilweise auch die Bearbeitung der Metadaten unterscheiden sich. Bundesweit einheitlich ist der Metadatensatz für elektronische Dissertationen, wie er mit der Deutschen Bibliothek abgesprochen ist.

Als ein Ergebnis des Workshops kann die initiierte weitergehende Absprache zwischen Vertretern des regionalen Servernetzwerks für Hochschulpublikationen im Einzugsgebiet des Südwestdeutschen Bibliotheksverbundes bzw. den Entwicklern des OPUS-Systems und dem Projekt "Dissertationen online" gewertet werden. Ziel dieser Zusammenarbeit soll eine Erarbeitung von Handlungsanweisungen für die Handhabung elektronischer Hochschulschriften in Deutschland und eine Annäherung der von beiden Gruppen zur Verfügung gestellten Tools sein. Dabei spielt die Interoperabilität der Systeme über ein gemeinsames Datenmodell bzw. Datenaustauschformat eine wichtige Rolle. Eine Ausweitung der Bemühungen zum elektronischen Publizieren über die Dissertationen und Habilitationen hinaus wird angestrebt.

Als sinnvoll wird es angesehen, ähnlich dem konventionellen Dissertationentausch einen Austausch der Metadaten elektronischer Publikationen deutschlandweit zu organisieren. Damit soll eine Replikation der Metadaten erfolgen, die dann lokal im OPAC oder Verbundkatalog vorgehalten werden. Zu diesem Zweck sind die entsprechenden Schnittstellen und Austauschformate zu schaffen bzw. anzupassen. Eine Spiegelung der Volltexte wird nicht als sinnvoll angesehen.

4.       Langzeitarchivierung elektronischer Hochschulschriften

     Das Problem der Langzeitarchivierung elektronischer Hochschulschriften wurde in die Diskussion einbezogen, ohne dass abschließende Festlegungen getroffen werden konnten. Generell und als zukunftsweisend wird ein Ansatz, der XML-basierte Technologie nutzt, befürwortet und für eine Archivierung empfohlen. Die dabei insbesondere auftretenden Probleme, wie z. B. der Aufwand des Konvertierens, die Autorenbetreuung und ähnliches, müssen weiter diskutiert werden. Insbesondere die Entwicklungen von Softwaretools sind dabei aufmerksam zu verfolgen.

     In der Diskussion wurde deutlich, dass den deutschen Hochschulen empfohlen wird, sich intensiv mit den Grundgedanken der Open Archiv-Initiative zu beschäftigen. DINI wird empfohlen, diese Zielstellung als einen Schwerpunkt der Arbeit der unmittelbar kommenden Zeit zu sehen. Die Santa Fe Convention und die daraus abgeleiteten Regelungen für lokale Archive und ihren Zugriff auf diese Archive sollten in Deutschland weit mehr bekannt gemacht werden als dies bisher der Fall ist. Die DINI-Tagung soll dazu u. a. einen Beitrag leisten.

     Aus der Sicht der Wissenschaftler wird insbesondere darauf orientiert, dass für die lokalen Archive ein entsprechendes Refereesystem aufgebaut wird. Es sollten nur anerkannte wissenschaftliche Arbeiten in die lokalen Archive der Hochschulen aufgenommen werden, damit sich diese Archive von der Vielzahl der Webpräsentationen der einzelnen Fachbereiche unterscheiden.

     Neben der organisatorischen und inhaltlichen Gestaltung der Hochschularchive ist der technischen Sicherheit dieser Archive verstärkt Aufmerksamkeit zu widmen. Es geht um die Wahrung der Authentizität und Integrität der gespeicherten Dokumente. Dabei müssen die Vergabe von Zeitstempeln sowie die Anwendung von Hashwertalgorithmen und weiterer Tools dieser Art längerfristig zum Standard gehören.

5.       Weiterbildung

Es wird allgemein anerkannt, dass in den Hochschulen ein großes Defizit zum Thema elektronisches Publizieren existiert. Diese Defizite sind sowohl bei den Rechenzentren, Medienzentren und Bibliotheken als auch bei den Wissenschaftlern und Studierenden vorhanden. Es ist wichtig, den Unterschied zwischen dem elektronischen Publizieren im Vergleich zur traditionellen Weise herauszuarbeiten, um neben den Veränderungen während des Erstellungsprozesses auch die sich durch die elektronische Speicherung prinzipiell ergebenen erweiterten Möglichkeiten des Retrievals nutzen zu können. Um die Ausbildung der Hochschulangehörigen auf diesem Gebiet zu fördern, ist es notwendig, gesonderte Förderprogramme zu erstellen und langfristig entsprechende Kapazitäten zur Verfügung zu stellen. Diese Ausbildungsinhalte sind in die Curricula der Universitäten zu integrieren. Im Rahmen der Diskussion zum Wandel der Informationsinfrastruktur in den Hochschulen muss die Aus- und Weiterbildung auf diesem Gebiet gemeinsam von den Fachbereichen und Serviceeinrichtungen getragen werden.

6.       Informationsmanagement

     Es besteht der dringende Bedarf nach der Erarbeitung eines Informations­managementkonzeptes für die einzelne Hochschulen unter der Regie der Hochschulleitungen und unter Einbeziehung der Infrastruktureinrichtungen gemeinsam mit den Fachbereichen. Als strukturfördernde Maßnahme wird die Berufung eines Vizepräsidenten oder Prorektors für das Informationsmanagement oder den Wissenstransfer und Informationsaustausch durch jede Universität angesehen. Notwendig ist eine bundesweite Koordination und eine arbeitsteilige Kooperation. Der Prozess der Präsentation, der Verteilung, des Managements, der Archivierung und des Retrievals elektronischer Dokumente ist unter Beachtung internationaler Standards und Berücksichtigung deutscher Besonderheiten neu zu organisieren.

7.  weitere Themen

     Die Aufgabe von DINI muss es sein, Querschnittsthemen, die die Serviceeinrichtungen und die Fachgesellschaften gleichermaßen betreffen, aufzugreifen und für die entsprechende Verbreitung zu sorgen. Auf dem Gebiet des elektronischen Publizierens werden neben den hier genannten insbesondere gesehen:

-           elektronische Zeitschriften / elektronische Monographien der Verlage

-           Printing on Demand

-           Retrodigitalisierung

-           Abrechnungsmodelle, Lizenzmodelle, Konsortialslösungen

-           eine weitere Detaillierung des Prozesses des elektronischen Publizierens

 

 

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